In der kommenden Woche stehen wieder einige interessante Debatten in Straßburg an, unter anderem über EU-Zulassungsverfahren im Hinblick auf Pestizide und über den Brexit. Des Weiteren werden Möglichkeiten diskutiert, rechtsstaatliche Verstöße der Mitgliedsländer in Zukunft finanziell zu sanktionieren.
Zu den oben aufgeführten Themen bekommen Sie im Laufe der nächsten Woche noch genauere Informationen. Zunächst freuen wir uns, Ihnen eine kurze Vorschau präsentieren zu dürfen:
Initiativbericht: Debatte am Montag, 14.1.2019, ab 17 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 16.1.2019, ab 12 Uhr
Beim Verzehr von Obst und Gemüse sind die europäischen Bürgerinnen und Bürger einer Vielzahl von Pestiziden gleichzeitig ausgesetzt. Nicht zuletzt die Wiederzulassung von Glyphosat entfachte eine öffentlichkeitswirksame Debatte über die gesundheitlichen Risiken von Pflanzenschutzmitteln, die von einer europäischen Bürgerinitiative und im Europäischen Parlament aufgegriffen wurde. Auf Initiative der S&D und der Grünen wurde ein Sonderausschuss zum EU-Zulassungsverfahren für Pestizide eingerichtet. Der Sonderausschuss hat die Prozesse bei der Zulassung von Glyphosat überprüft sowie bei Pestiziden im Allgemeinen, insbesondere die Unabhängigkeit der Verfahren von der Wirtschaft. Nach neun Monaten fasst der Ausschuss weitreichende Mängel zusammen, die bei Anhörungen verschiedener Akteure - Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Labore sowie Behörden - ans Licht kamen. Mangelndes Personal, das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Prüflaboren und der chemischen Industrie sowie die offensichtlich weit verbreitete Praxis, aus Zulassungsanträgen der Industrie ungezeichnet Textstellen zu kopieren, sind Beispiele, die zu einer unzureichenden Prüfung und Risikobewertung der Stoffe führen, bevor diese erstmals oder erneut auf dem EU-Markt zugelassen werden.
EP-Position: Die Mitglieder des Sonderausschusses fordern in dem zur Abstimmung stehenden Abschlussbericht, dass Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln künftig transparenter gestaltet werden. Dabei betonen die Parlamentarier, dass besonders die Transparenz verbessert werden müsste. EU-Kommission und Mitgliedstaaten müssten das Vorsorgeprinzip stärker beachten und daher strengere Kriterien für die Prüfung von Pestizidwirkstoffen einführen, um negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit vorzubeugen. Dazu gehören die Schließung von Datenlücken bei der Bewertung von Pestiziden als auch neue Maximalwerte für Pestizide oder deren Abbauprodukte für Böden und Oberflächengewässer. Studien zur Risikobewertung sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, die EU-Gesetzgebung vollständig implementiert und die Behörden besser ausgestattet werden.
SPD-Position: Die SPD-Abgeordneten sehen beim Zulassungsprozedere für Pestizide in der Europäischen Union akuten Handlungsbedarf und stehen daher hinter den Forderungen aus dem Abschlussbericht des Sonderausschusses. Dabei sind die Mängel, die den europäischen und deutschen Behörden bei der Bewertung von Wirkstoffen nachgewiesen werden konnten, alarmierend. Dies setzt die Gesundheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger aufs Spiel und darf nicht mehr gebilligt werden.
Ausblick: Sollte der Abschlussbericht mit großer Mehrheit im Plenum angenommen werden, wächst der Druck auf die EU-Kommission zu handeln.
Debatte am Mittwoch, 16.01.2019, 8.30 Uhr
Die aktuellen Entwicklungen beim Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union stehen am Mittwoch, ab 8.30 Uhr, im Europäischen Parlament in Straßburg zur Debatte, einen Tag nach der Abstimmung im britischen Unterhaus in London. Großbritannien soll am Freitag, 29. März 2019 aus der EU ausscheiden. Sollte bis dahin kein Abkommen mit Brüssel unter Dach und Fach sein, droht dem Land ein chaotischer Brexit mit erheblichen Folgen für die Wirtschaft und viele weitere Lebensbereiche.
Resolution: Debatte am Montag, 14.01.2019, 18 Uhr, Abstimmung Donnerstag, 17.01.2019, ab 12 Uhr
Hintergrund: Leider gibt es in Europa nicht nur Fortschritte, sondern auch Rückschritte, was Demokratie und Rechtsstaatlichkeit anbelangt. So war etwa ein Eingreifen der Union angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen in Ungarn und Polen unumgänglich. Die EU-Kommission hat jetzt einen Weg vorgeschlagen, um rechtsstaatliche Standards der EU-Mitgliedstaaten einzufordern: das Instrument zum Schutz des EU-Haushalts bei rechtstaatlichen Mängeln in den Mitgliedstaaten. Der Rechtsakt sieht vor, dass den Mitgliedstaaten EU-Gelder gekürzt werden können, wenn die EU-Institutionen feststellen, dass rechtsstaatliche Standards nicht hinreichend eingehalten werden. Das Verfahren ist niederschwelliger als das sogenannte Artikel-7-Verfahren, da es keiner Einstimmigkeit zwischen den Mitgliedstaaten bedarf. Im Instrument zum Schutz des EU-Haushalts kann nur eine qualifizierte Mehrheit im Rat einen Sanktionsvorschlag der Kommission stoppen.
EP-Position: Das Parlament hat ein Sanktions-Instrument in seiner Resolution zur Zukunft der EU-Finanzen im März 2018 gefordert. Gut, dass die Kommission nun folgt. Wichtig ist den EU-Abgeordneten, dass bei eventuellen Sanktionen nicht die letztendlichen Empfängerinnen und Empfänger von EU-Geldern getroffen werden, sondern die nationalen Regierungen. Dass die nationalkonservative PiS-Regierung in Polen etwa die Unabhängigkeit des Justizwesens in Frage stellt, kann nicht den Studierenden oder den Landwirten zur Last gelegt werden. Deswegen sieht das Instrument vor, dass die nationalen Regierungen dazu verpflichtet werden, die ausfallenden Zahlungen aus dem nationalen Haushalt zu begleichen. So ist sichergestellt, dass bei rechtsstaatlichen Verstößen Erasmus-Studierende weiterhin ihr Stipendium bekommen und das Städte ihre EU-geförderten Projekte umsetzen können. Bürgerinnen und Bürger dürfen am Ende nicht die Rechnung für die Fehlschritte ihrer Regierungen tragen. Darüber hinaus fordert das Parlament auf gleichem Fuß mit dem Rat über das Verhängen von Sanktionen zu entscheiden.
SPD-Position: Nach Ansicht der SPD-Abgeordneten sollte sich das Instrument an den Kriterien zur Aufnahme von Mitgliedstaaten in die EU orientieren. Nur so kann sichergestellt werden, dass der gemeinsame Werte- und Rechtskatalog in der gesamten EU gilt. Dank sozialdemokratischem Druck ist es gelungen, den Vorschlag der Kommission zu erweitern und Fragen von staatlichen Praktiken im Bereich der Steuerfairness und im Kampf gegen Steuerflucht aufzunehmen. Dass Mitgliedstaaten wie etwa die Niederlande ihre Beiträge in den EU-Haushalt als zu groß empfinden, aber gleichzeitig aufgrund unfairer Steuerpraktiken Kosten in Milliardenhöhen verursachen, weil den anderen Mitgliedstaaten Steuereinnahmen verloren gehen, ist nicht länger hinnehmbar.
Ausblick: Der Kommissionsvorschlag ist im Rat hochumstritten und entzweit die Mitgliedstaaten. Dazu kommt, dass das Instrument eng verbunden ist mit der Frage der zukünftigen Ausgestaltung der EU-Haushalte ab 2021. Mit einer Einigung zwischen Rat und Parlament ist nicht vor der Wahl zu rechnen.