In der nächsten Woche tagt das Europäische Parlament in Straßburg. Dort wird unter anderem über das Mobilitätspaket, die Reform des Urheberrechts abgestimmt, zu diesen Themen bekommen Sie im Laufe der Woche genauere Informationen und hier eine kurze Vorschau.
Vier Verordnungen sowie eine Richtlinien-Ausnahme; Abstimmung am Mittwoch, 27.03.2019, ab 12 Uhr
Hintergrund: Fahrinnen und Fahrer von LKW sind monatelang auf der Straße unterwegs, campieren unter kaum zumutbaren Zuständen auf Autobahnrastplätzen und fahren zu Hungerlöhnen durch ganz Europa. Es grassiert ein unfairer Wettbewerb, der Sozialdumping im großen Stil verursacht. Die Lage des europäischen Transportsektors erinnert teils eher an Wild-West-Szenarios als an eine moderne, bis auf die Minute durchgetaktete Branche. Dies wiederum führt zu einem akuten Fahrermangel, der zur wachsenden Gefahr für die transportabhängige Wirtschaft wird. Neue Regelungen sowie deren bessere Umsetzung und Kontrollierbarkeit könnten das ändern. Konkret geht es um vier betroffene Verordnungen und eine mögliche Richtlinien-Ausnahme, also ein Gesetzespaket. Betroffen sind die Verordnungen zu Marktzugang und Kabotage. Außerdem die Verordnungen zu Lenk- und Ruhezeiten sowie zur Tachografen-Pflicht. Die Ausnahme bezieht sich auf die Entsenderichtlinie. Das Paket wird bereits seit Mai 2017 verhandelt und konnte bisher keine Mehrheit im Plenum erzielen. Nachdem das Paket im Sommer 2018 deutlich vom Plenum abgelehnt wurde, konnte in monatelagen Verhandlungen unter sozialdemokratischer Führung ein mehrheitsfähiger Kompromiss erzielt werden, der nun zur Abstimmung steht.
SPD-Position: Das Europäische Parlament hat jetzt die Möglichkeit, den Unterbietungswettkampf auf Kosten von Beschäftigten auf Europas Straßen zu beenden. Der erzielte Kompromiss trägt eine klar sozialdemokratische Handschrift. Es wird keine Flexibilisierung der Lenk- und Ruhezeiten zu Lasten der Fahrerinnen und Fahrer geben. Die LKW-Fahrerinnen und -Fahrer sind heute extremen Belastungen ausgesetzt und oft monatelang unterwegs, dies soll in Zukunft auf maximal vier Wochen begrenzt werden. Ein weiteres wichtiges Element ist zudem die Beschränkung von Kabotagefahrten und die nachhaltige Bekämpfung von Briefkastenfirmen. Zukünftig wird eine systematische Ausflaggung von Fahrzeugflotten zum Zwecke des Lohndumpings nicht mehr möglich sein. Letztes, aber nicht weniger wichtiges Element ist die verpflichtende Ausstattung aller im internationalen Transport operierenden Fahrzeuge mit einem "intelligenten" Fahrtenschreiber, welcher die Um- und Durchsetzung des Regelwerks revolutionieren könnte.
Ausblick: Nach dem Votum des Europäischen Parlaments ist unklar, ob in dieser Legislaturperiode noch Verhandlungen mit dem Rat aufgenommen werden können.
Ismail ERTUG, verkehrspolitischer Sprecher der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten; Büro: +32 2253 7547
Richtlinie; Debatte am Dienstag, 26.03.2019, ab 9 bis 11.50 Uhr; Abstimmung ab 12 Uhr
Hintergrund: Die Reform sollte das Urheberrecht an die digitalen Bedingungen des 21. Jahrhunderts anpassen. Doch der Widerstand ist groß: Bundesweit protestieren zehntausende junge Leute gegen die Fassung des Berichterstatters Axel Voss von der CDU. Die Kritik entzündet sich vor allem an Artikel 13, der nach Lesart der Demonstrierenden und auch der Europa-SPD Uploadfilter nötig macht. Der aktuelle Vorschlag von Axel Voss enthält die Pflicht für Plattformen wie Youtube oder Instagram, jeden Inhalt, der auf diese Plattform hochgeladen wird, zu scannen und gegebenenfalls zu blockieren, sollte urheberrechtsverletzendes Material hochgeladen werden. Aufgrund der Menge des Materials ist dies in der Regel ausschließlich mit automatisierten Uploadfiltern möglich. Damit würde Plattformbetreibern die Verpflichtung und damit auch die Verantwortung und die Macht auferlegt, zu entscheiden, was veröffentlicht wird und was nicht.
SPD-Position: Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben sich mit aller Kraft für Vereinbarungen eingesetzt, die Künstlerinnen und Künstler stärken. Gegen Konservative und Liberale hat die Europa-SPD Druck gemacht für Transparenz bei der Verwertung der eigenen Arbeit, Nachverhandlungsrechte für besonders erfolgreiche Werke und für eine stärkere kollektive Rechtsvertretung. Trotz des Widerstands konnten einige Punkte durchgesetzt werden. Die Vorschrift zu Uploadfiltern lehnt die Europa-SPD in der derzeitigen Form allerdings ab. Uploadfilter gefährden durch eine automatisierte Filterung die Meinungs- und Kunstfreiheit. Algorithmen sind zudem nicht in der Lage, eine Urheberrechtsverletzung von einer legalen Verwendung von geschützten Werken zu unterscheiden. Satire, Parodie oder vom Zitatrecht gedeckte Verwendungen könnten fälschlicherweise geblockt werden. Plattformbetreibern wird die Verpflichtung und damit auch die Macht und Verantwortung auferlegt, darüber zu entscheiden, was veröffentlicht wird und was nicht. Kleine, neue Plattformen können sich kein teures Filtern leisten. Das würde die marktbeherrschenden US-amerikanischen Anbieter weiter stärken. Die sozialdemokratische Fraktion hatte bereits im Sommer Vorschläge für eine bessere Lösung gemacht. Diese wurden leider ignoriert. Die nun auf Bundesebene von der CDU vorgeschlagenen Lösung greifen die Lösung zwar auf, sind aber europarechtlich bedenklich.
Ausblick: Im Falle einer Zustimmung haben die nationalen Regierungen 24 Monate Zeit, die Reform in gültiges Recht umzusetzen.
Verordnung; Abstimmung am Mittwoch, 27.03.2019, ab 17 Uhr
Hintergrund: Die EU-Kommission hat Vorschläge vorgelegt, um CO2-Emissionen von PKW und leichten Nutzfahrzeugen zu senken. Emissionsziele für die Hersteller sollen im Rahmen der klimapolitischen Ziele der EU, mit Blick auf Verbraucherinteressen sowie industriepolitische Weichenstellungen für 2025 und 2030 gesetzt werden. Die Europäische Kommission hat dafür neben prozentualen Reduktionszielen auch einen Anreizmechanismus für Niedrigemissionsfahrzeuge vorgesehen. In den Trilog-Verhandlungen haben sich die Unterhändler von Europäischem Parlament und Rat der EU auf 37,5 Prozent CO2-Reduktion für PKW-Flotten bis 2030 geeinigt - mit einem Zwischenziel von 15 Prozent bis zum Jahr 2025.
SPD-Position: Die SPD-Europaabgeordneten machen sich für eine saubere und digitalisierte Mobilität unter Sicherung guter Arbeitsplätze in Deutschland und Europa stark. CO2-Emissionen müssen drastisch reduziert werden. Der Wandel zu effizienterer und emissionsärmerer Mobilität ist notwendig und hat bereits begonnen. Die Hersteller investieren in Niedrig- und Nullemissionsfahrzeuge. Neue Antriebsarten und effizientere Verbrennungsmotoren sind eine klimapolitische Notwendigkeit und bringen Verbraucherinnen und Verbrauchern erhebliche Ersparnisse an der Zapfsäule. Die deutsche und europäische Automobilindustrie darf diesen Wandel nicht verpassen. Ansonsten droht die EU gegenüber der USA und China ins Hintertreffen zu geraten. Die Europa-SPD arbeitet dafür, dass die Branche auch in Zukunft Garant für Arbeitsplätze und Wohlstand bleibt. Ursprünglich hatte die SPD leicht höhere Werte gefordert als in der aktuellen Einigung. Gleichwohl ist auch auf Druck von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten der wenig ambitiöse Vorschlag der Kommission, welcher lediglich eine Reduktion von 30 Prozent bis 2030 gefordert hatte, signifikant nachgebessert worden. Weitere Informationen zu nachhaltiger Bewegung in Europa sind auf der Homepage der Europa-SPD zu finden.
Ausblick: Nach der Bestätigung des Trilog-Ergebnisses durch das Europäische Parlament, muss der Rat diesem formal noch zustimmen. Dann kann die Verordnung in der Europäischen Union in Kraft treten.
Ismail ERTUG, verkehrspolitischer Sprecher der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten; Büro: +32 2253 7547
Statement von Rat und EU-Kommission sowie Debatte zum EU-Gipfel am Mittwoch, 27.03.2019, von 9 bis 11.50 Uhr
Hintergrund: Der Brexit wird am Freitag, 29. März 2019 um 23 Uhr britischer Zeit (24 Uhr MEZ) rechtskräftig - sofern es keine Verlängerung der Frist gibt, die einstimmig von den EU-Mitgliedstaaten beschlossen werden muss oder das Vereinigte Königreich die Austrittserklärung nicht zurückzieht. Sollte bis dahin kein Abkommen mit Brüssel unter Dach und Fach sein, droht dem Land ein chaotischer harter Brexit mit erheblichen Folgen für die Menschen und die Wirtschaft. Premierministerin Theresa May arbeitet derzeit an einer möglichen Verschiebung. Das Unterhaus hatte vergangenen Donnerstag dafür votiert, den Termin für den EU-Austritt um maximal drei Monate zu verschieben. Voraussetzung ist allerdings, dass die britischen Abgeordneten diese Woche dem Brexit-Vertrag zustimmen. Der britische Parlamentssprecher John Bercow schließt jedoch eine dritte Abstimmung über den Brexit-Deal aus, sollte es keine Änderungen am Deal geben.
SPD-Position: Eine Verlängerung der Frist ergibt nur Sinn, wenn sich die Verhandlungsposition der britischen Regierung ändert. Sollte die britische Regierung ihre roten Linien nicht anpassen, gibt es keinen Grund, die für Menschen und Wirtschaft lähmende Unsicherheit in die Länge zu ziehen. Eine Verlängerung über den Beginn der Europawahlen am 23. Mai 2019 hat zudem die Teilnahme des Vereinigten Königreichs an den Wahlen zum Parlament zur Bedingung – eine absurde Vorstellung. Bei der Anberaumung von Neuwahlen oder auch eines zweiten Brexit-Referendums müsste die Europäische Union die Situation neu bewerten. Für eine erneute Befragung der Bevölkerung spricht, dass - anders als im Jahr 2016 - die katastrophalen Auswirkungen eines Brexits heute deutlich klarer sind.
Ausblick: Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich am Donnerstag, 21. März und Freitag, 22. März 2019 in Brüssel treffen, auch um über den Brexit zu beraten.
Richtlinie; Debatte am Montag, 25.03.2019, ab 17 Uhr; Abstimmung am Dienstag, 26.03.2019, um 12 Uhr
Hintergrund: Das Thema Zeitumstellung bewegt viele Menschen in Europa, jeder von uns ist direkt und spürbar in seinem Alltag betroffen. Die Europaabgeordneten hatten die EU-Kommission im Februar 2018 deshalb in einer Resolution dazu aufgefordert, die Vor- und Nachteile einer Abschaffung abzuwägen. Die EU-Kommission hatte im Juli und August 2018 die EU-Bürgerinnen und Bürgern dazu aufgefordert, sich an einer EU-Konsultation zur Abschaffung der Zeitumstellung zu beteiligen. Insgesamt 4,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger nahmen daran teil. Noch nie zuvor gab es eine so hohe Beteiligung an einer EU-Konsultation. Die höchste Rücklaufquote der Antworten kam mit über 70 Prozent aus Deutschland (3,1 Millionen), gefolgt von Frankreich (8,6 Prozent; 393.000) und Österreich (6 Prozent; 259.000). Das entspricht einer Beteiligung von fast vier Prozent der deutschen Bevölkerung. Die Menschen in Deutschland wünschen sich laut der Umfrage mehrheitlich die dauerhafte Sommerzeit. Über was das Plenum nicht abstimmen wird, ist, ob die Sommer- oder Winterzeit als Standardzeit gelten soll. Hier hat die EU keine Gesetzgebungskompetenz, weshalb diese Entscheidung die einzelnen Mitgliedstaaten selbst treffen werden. Das Hauptziel ist, einen koordinierten Ansatz zu verfolgen, damit der europäische Binnenmarkt und der Verkehrssektor davon nicht negativ beeinträchtigt werden. Deshalb wird im Bericht gefordert, dass ein Koordinierungsmechanismus eigerichtet werden sollen, um einen Flickenteppich an Zeitzonen in Europa zu verhindern.
SPD-Position: Die Umstellung von Sommer- und Winterzeit beeinträchtigt vor allem Kinder, ältere Menschen und Kranke in ihrem Biorhythmus. Es kommt zu mehr Unfällen im Straßenverkehr, Energie wird dadurch nicht gespart. Eine Abschaffung der Umstellung in der EU könnte jetzt Abhilfe schaffen. Allerdings darf es künftig keinen Flickenteppich von Zeitzonen in Europa geben, der die Bürgerinnen und Bürger, den Verkehr und den Binnenmarkt stört. Nur eine Koordinierung der EU-Mitgliedstaaten ergibt Sinn. Die SPD-Europaabgeordneten unterstützen den Bericht der sozialdemokratischen Berichterstatterin Marita Ulvskog zur Abschaffung der Zeitumstellung.
Ausblick: Nach der Abstimmung werden Trilog-Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Ministerrat und der EU-Kommission beginnen, mit dem Ziel, dass die Richtlinie zur Abschaffung der Zeitumstellung spätestens am 1. April 2021 in Kraft treten kann. Derzeit liegt aber noch keine Position des Rates vor. Beim Rat der Verkehrsminister am 3. Dezember 2018 gab es lediglich einen Fortschrittsbericht. In der Aussprache wurde deutlich, dass die EU-Mitgliedstaaten sehr gespalten sind, was die Abschaffung der saisonalen Zeitumstellung betrifft. Sie werden voraussichtlich noch mehr Zeit benötigen, um in dieser Frage zu ihren nationalen Positionierungen zu finden.