"Der Vorschlag, das Immissionschutzgesetz so zu ändern, dass Fahrverbote gesetzlich erschwert werden, ist eine Bankrott-Erklärung der deutschen Verkehrspolitik der vergangenen zehn Jahre", sagt Ismail Ertug, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten. "Manchmal hat man den Eindruck, Bundeskanzleramt und Verkehrsministerium seien von den drohenden Fahrverboten überrascht worden. Dabei ist die Problematik seit Jahren bekannt, aber die letzten deutschen Verkehrsminister haben nichts dagegen unternommen. Mit diesem juristischen Winkelzug will man sich nun aus der selbstverschuldeten Misere stehlen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte angekündigt, das Deutsche Immissionschutzgesetz so abändern zu wollen, dass Fahrverbote als unverhältnismäßige Maßnahmen eingestuft werden sollen, wenn Schadstoffgrenzwerte nur geringfügig überschritten werden. Derzeit werden die in der EU-Richtlinie 2008/50/EG festgeschriebenen Grenzwerte für Stickoxide in 51 deutschen Städten überschritten. Auf Bundesebene werden die EU-Grenzwerte und deren Umsetzung im sogenannten Immissionsschutzgesetz geregelt.
"Jemand der so argumentiert, steht nicht auf der Seite der Autobesitzerinnen und -besitzer, sondern auf der Seite derjenigen, die zehn Jahre lang bewusst die Hände in den Schoß gelegt haben. Wenn fahrlässiges politisches Handeln oder Nichthandeln ohne Konsequenzen bleibt, hinterlässt das einen bitteren Beigeschmack und bestärkt nicht zuletzt radikale Kräfte in ihrem Feldzug gegen‚ die da oben‘ ", so Ismail Ertug.
"Die Europäische Luftqualitäts-Richtlinie gilt seit dem Jahr 2010. Die darin definierten Grenzwerte für Schadstoffe sind keine politische Verhandlungsmasse, sondern gesundheitliche Vorsorgewerte", so Tiemo Wölken, Mitglied im Umweltausschuss. "Die EU-Mitgliedsstaaten, auch Deutschland, hatten ausreichend Zeit, um sicherzustellen, dass die Luftqualität in europäischen Städten den Vorgaben der Richtlinie entspricht. Das Pochen auf das Einhalten der Grenzwerte erfüllt dabei keinen Selbstzweck, sondern wir fordern es zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger. Jeder Jura-Studierende lernt, dass gesetzliche Grenzwerte - und seien sie auch noch so knapp verfehlt - einzuhalten sind. Dieses rechtstaatliche Grundwissen darf auch im Kanzleramt und im Verkehrsministerium vorausgesetzt werden."