Soziales Europa noch in weiter Ferne

13. September 2018

„Ein soziales Europa mit dem Prädikat ‚Triple-A‘, wie es Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker gefordert hatte, davon sind wir noch weit entfernt“, äußert sich der Amberger Europaabgeordnete Ismail Ertug im Vorfeld von Junckers Rede zur Lage der Union. „Um die Europäische Union für die Zukunft zu wappnen, reichen die bisherigen Beschlüsse bei weitem nicht aus.“

"Die Europäische Säule sozialer Rechte wird den Erwartungen nicht gerecht. Auch wenn die Reform der Entsenderichtlinie, eine langjährige Forderung der Sozialdemokratinnen, gekommen ist, hat die Kommission ansonsten Absichtsbekundungen präsentiert“, so Ertugs Kollege Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament. „Diese Art der Politik verspielt das Vertrauen, das viele Menschen derzeit wieder zur EU fassen. Wir müssen die Lebensbedingungen der Europäerinnen in den Mittelpunkt europäischer Politik stellen. Um die Europäische Union erfolgreich zu machen, brauchen wir handfeste Sozialgesetze, die die Europäer_innen so positiv spüren wie den Wegfall der Roaming-Gebühren - allerdings auf dem Gehaltszettel oder bei den Arbeitsbedingungen. Hier fehlte der Juncker-Kommission der Weitblick.“

„Richtig ist, dass die wenigsten Sündenböcke für eine dysfunktionale EU in Kommission und Parlament sitzen. Was die EU als Ganzes derzeit am meisten gefährdet, ist der mangelnde Wille der Mitgliedstaaten, sich zu einigen“, so Jens Geier. „Die Staats- und Regierungschefs müssen spätestens im Frühjahr im rumänischen Sibui ihre Blockade gegen einen Neustart lösen - und in den wichtigen Zukunftsfragen entscheiden. Die Mitgliedstaaten verschleppen seit Langem Entscheidungen über Wirtschafts- und Währungsunion, Sicherheit, Migration und künftigem Haushaltsrahmen. Die Regierungen müssen liefern! Jean-Claude Juncker hat zumindest eine Kommissionspolitik etabliert, die unabhängiger von den Staats- und Regierungschefs im Rat arbeitet. Sein Vorgänger José Barroso hat regelmäßig in den Hauptstädten angerufen, um zu fragen, ob er sich zum Frühstück Tee oder Kaffee kochen soll. Zudem wurde Juncker nach dem demokratischen Spitzenkandidaten-Prinzip gewählt, für das wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns weiter starkmachen werden.“, so Geier weiter

„Wichtige europäische Projekte, wie etwa die Überarbeitung der Entsenderichtline oder die Etablierung des Europäischen Investitionsfonds, wurden maßgeblich durch den Druck der europäischen Sozialdemokratinnen angestoßen“, so Ismail Ertug. Und weiter: „Das eröffnet zum einen die Möglichkeit, in faire Arbeit und nachhaltige Projekte zu investieren, und zum anderen können entsandte Beschäftigte besser vor Ausbeutung bewahrt werden. Das gilt beispielsweise für Arbeitnehmerinnen auf Baustellen oder in Schlachthöfen.“

„Junckers Europäische Volkspartei, der auch CDU und CSU angehören, setzt hier nicht die richtigen Schwerpunkte. Viele Konservative zeigen zu wenig Einsatz beim Einstehen für die Grundwerte Europas. Das zeigt schon die Zugehörigkeit von Viktor Orban zur EVP. Junckers Ermutigung an das Europäische Parlament zur Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen die ungarische Regierung ist zwar richtig und mutig. Gleichzeitig aber blockieren konservative Regierungen einiger Mitgliedstaaten im Rat wichtige Initiativen, etwa eine faire Steuergesetzgebung, auch für Google und Co., oder die gerechte Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU“, betont Ertug. „Die mögliche Aufwertung der Sozialen Säule der EU ist richtungsweisend dafür, welchen Weg die EU in den kommenden Jahren einschlagen wird: Hin zu mehr nationalen Alleingängen und Abschottung, oder stattdessen weiterhin den Weg für ein freies, aber auch sozialeres Europa. Wir Sozialdemokrat_innen kämpfen dafür, dass letzteres im Zuge der Europawahlen 2019 und darüber hinaus ganz oben auf der Agenda stehen wird.“ schließt Ismail Ertug.